Geschichten • Freizeitipps • Infos

26 bis 27 Wochan is gwies a lange Zeit, hodse da Hirta scho lang af Martini g'freid. Wenn der Wolf durchs Dorf zieht Wolfauslassen im ARBERLAND Teil eines Hirtenspruchs E inmal im Jahr, am Wochenende vor dem St. Martinstag im November, wird in Langdorf „der Wolf ausgelassen“. Eine etwa 50-köp- fige Gruppe, die größtenteils aus jungen Männern besteht, zieht nachts durch den 2.000-Einwohner-Ort. Sie läuten große, „kanisterartige“ Glocken und geraten dabei ordentlich ins Schwitzen – die Glocken wiegen teilweise mehr als 20 Kilogramm. Das Wolfauslassen ist ein dröhnendes, ohrenbetäubendes Spektakel und ein einzigartiger, ur- sprünglicher Brauch aus dem Bayerischen Wald. Hanse Wenzl ist der „Hirte“ des „Wolfes“ von Lang- dorf, was bedeutet: Er ist der Anführer der örtlichen Wolfauslasser-Gruppe, deren Durchschnittsalter bei etwa 28 Jahren liegt. Ein paar Kinder und ein paar Ältere sind auch dabei. Der Langdorfer gibt den Takt an und organisiert die Veranstaltung. „Ich mache das Wolfauslassen schon seit ich zwölf Jahre alt bin. Mein Großvater hat damals den Brauch in Langdorf wieder- belebt“, erklärt er. „Davor hat es das lange nicht mehr in der Art gegeben.“ Die Ursprünge des Wolfauslassens liegen, wie so viele bayerische Bräuche, in den bäuerlichen Traditionen. „Bei uns in der Gegend wurde seit Jahrhunderten Vieh über den Sommer auf die Schachten getrieben und einige Bauern machen das heute immer noch“, erklärt Hanse. Schachten sind die Almen des Bayerischen Waldes: baumfreie Wiesen in den Hochlagen, auf denen das Vieh grasen kann. Im Unterschied zu Almen wird hier aber keine Milchwirtschaft betrieben. Die Hirten treiben hauptsächlich Jungtiere zur Aufzucht hinauf. vereinbaren, daher haben wir das auf das Wochen- ende davor verschoben“, sagt Hanse. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Wolfauslassen werden die Glocken vorbereitet, das Leder der dicken Tragegurte und der Glockenschwengel eingefettet. Der Hirte geht in den Wald und schneidet seinen Hirtenstock, mit dem er den Takt beim Läuten angibt. „Der Hirtenstock ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Bei uns ist das der 'Krawenda', der Wacholder, der ist auch im November noch schön grün. Woanders ist der aber auch ganz kahl“, sagt Hanse. Am Tag des Wolfauslassens selbst geht es mit Ein- bruch der Dunkelheit los. Die Gruppe trifft sich beim Rathaus und die Glocken werden verteilt. „Es ist eine Sache der Ehre, dass man sich eine möglichst große Glocke nimmt“, sagt Hanse und schmunzelt. „Das be- reut man dann später, wenn man stundenlang geläutet hat, ist aber jedes Jahr dasselbe.“ Er hat gut lachen, denn als Hirte trägt er nur den Hirtenstock. Am Rat- haus hängt sich der Wolf von Langdorf die Glocken um die Schultern, in anderen Orten werden sie um die Hüften befestigt. Dann läutet sich die Gruppe ein, was ungefähr 20 bis 30 Minuten dauert. „Wir stellen uns im Kreis auf und finden den gemeinsamen Rhythmus. Unsere Jüngeren lernen außerdem so, wie es geht.“ Das Rathaus ist auch die erste Station des eigent- lichen Wolfauslassens. Der Bürgermeister empfängt den Wolf hier. Es wird geläutet und Hanse sagt einen Spruch auf: „Mit´m Messer dastocha, mit‘m Schlegl dahaud, dass se koa Wolf mea eina draut.“ Beschrieben wird, wie der Hirte den Wolf mit Mes- ser und einem Knüppel verschreckt, sodass er sich nicht an die Herde traut. Mit lautem Gedröhn und Peitschenknall geht es vom Rathaus in Vierer-Reihen durch den Ort. „Traditionellerweise geht man eigent- lich von Haus zu Haus. Langdorf ist aber so groß, das würden wir nicht an einem Tag schaffen“, erklärt Hanse. Einen Dresscode gibt es nicht. Einzige Pflicht: Ein Hut, allerdings ist es egal, welchen man trägt. Besucher sind gerne eingeladen, sich den Brauch an- zuschauen. „Jeder ist uns willkommen. Vor allem am Anfang sind immer recht viele Leute da. Viele laufen dann noch ein Stück mit. Besonders für Kinder ist das laute Läuten und das Peitschenknallen ein großer Spaß“, sagt Hanse, der in seiner Funktion als Hirte auch „Bayern-Botschafter“ ist. Wie auf den Almen kommt am Ende des Sommers das Vieh wieder auf den Hof. Um Wölfe und Bären abzu- schrecken, bekamen die Tiere früher beim Abtrieb Glocken umgehängt und zusätzlich schnalzten die Hirten mit Geißeln in die Luft, was einen lauten Knall erzeugte. Das wird heute als „Goaßlschnalzen“ beim Wolfauslassen immer noch betrieben, zwei bis drei Goaßlschnalzer begleiten den Langdorfer Wolf. Neben dem abschreckenden Effekt für wilde Tiere, brachten die Hirten mit dem Lärm auch ihre Freude zum Aus- druck, wenn der Weidenaufenthalt ohne Verluste zu Ende ging. Das Wolfauslassen erinnert an diese Zeit. Traditionell fand das Wolfauslassen lange am Vor- abend von Martini statt. „Das lässt sich aber für viele unserer Burschen und Mädchen nicht mit dem Beruf Am 10. November findet in "Klousta" – wie Rinch- nach bei Einheimischen genannt wird – jährlich das größte Wolfauslassen der Region statt. Die Wolfaus- lasser-Gruppen ziehen nacheinander auf den Markt- platz ein und legen beim großen Finale gemeinsam los. Mehrere Tausend Besucher kommen dann in den ehemaligen Klosterort, um live dabei zu sein. Nicht ohne Grund. Seit 2009 hält die Gemeinde den Weltrekord im Wolfauslassen. 1.370 Wolfauslasser läuteten dabei mit ihren Glocken im selben Takt. www.rinchnach.de Weltrekord Wolfauslassen 32 HEIMAT gefühl ARBERLAND HEIMAT gefühl ARBERLAND 33

RkJQdWJsaXNoZXIy Njg5Mg==